Mittwoch, 7. September 2011

Nägel. Und Feinstaub. [Pics]


[Hatte gerade Probleme diesen Blogeintrag per Mail zu übermitteln. Also etwas verspätet den ersten Blog des Stewart Abenteuers erneut direkt eingestellt]



Welch eine Enttäuschung. Also nichts ist mit der gemütlichen Amazonas Tour. Auf einem Boot dem Dschungel entlang schippen. Ein paar Tage nur Natur. Und die gleichen Leute um sich.
Ich kann nicht leugnen, daß ich ein bißchen ettäuscht war. Aber es sprachen einfach zuviele Argumente gegen diese Tour.
Somit sind Susan und ich gestern Richtung Rurrenabaque aufgebrochen. Circa 300km entfernt von Trinidad.
Die Reise beginnt mit einer Flußquerung. Die bequeme Art. 35 Bolivianos ärmer, eine Pontoon Tour reicher überqueren wir den Rio Marmuré.
Es ist heiß. Wie immer. 34C und mehr. Zuviel für ein Motorrad. Irgendwie.
Aber wenigstens konnte ich meine neueste Errungenschaft auskosten: ein 5l Thermoskanister. Made in Brasil. Der fachkundige Verkäufer – yap, auch sowas gibt´s wirklich hier in Bolivien – in einem kleinem Geschäft gegenüber des Mercado Central hat mir diesen für das kühlhalten des so wichtigen Wassers hier in Südamerika empfohlen. Und wirklich – so gut habe ich 85 Bolivianos (8,5€) hier in Südamerika selten investiert.
...Auch wenn es rund 3 Tage an Hotelkosten entspricht.
Auf dem Weg nach San Moxos de Ignacio habe ich dann das erste Mal meine Exped Hängematte für eine kurze Mittagspause ausprobiert. Mit einem Becher kühlem Wasser in der Hand – welch ein Hochgenuß, welcher meine Enttäuschung über die nicht gemachte Bootstour etwas linderte.

...Ein paar Kilometer später bei einer weiteren kurzen Rast, hält neben uns ein bolivianischer Pickup. Eine Pärchen spricht uns an. Steward und seine Frau Naide.
Wir plauschen. Und er lädt uns zu seiner Farm ein. Ca. 110km von San Moxos entfernt. So ca. 4 Stunden. Oder 5.
Ach. Spontan wie wir sind, stimmen wir zu. Nachdem es bereits 16:00 ist und wir in die Dunkelheit hineinkommen, wird Susans Bike bei Naide´s Eltern dort abgestellt. Ein paar Sachen auch von mir. Und aufgeht´s. Two Up auf MrC.
...Naja. Streng genommen nicht. Der Trip begann mit einer Erinnerung von der Straße. Welche sich schon durch ein schwammiges Fahrverhalten angekündigt hatte. Ein 10cm! und rund 6mm breiter Nagel hatte beschlossen eine Reise zu unternehmen und mit MrC mitzufahren. Nun ja. Es hätte einfachere Wege gegeben um dies zu realisieren als sich einfach in den Hinterreifen zu bohren.
Und ich muß sagen – die Entscheidung auf schlauchlos Reifen umzustellen, war eine der besten in letzter Zeit. Nämlich noch schnell mein unbenutztes Reparaturset geöffnet. Und keine 5min später was das Loch behoben.
Und jetzt aber. Los geht´s. Nach Tanken und noch ein paar Einkäufen geht´s los. Mittlerweile schon 17:30. Noch 30min bis Sonnenuntergang.
Kilometer um Kilometer vergehen. Die Sonne verschwindet. Die Straße wird schlechter. Und schlechter. Dafür aber staubiger und staubiger.
Zuerst fahre ich mit dem Gespann vor. Später beschliessen wir aber, daß Steward dann doch vorfährt, nachdem er doch etwas schneller ist und bei kritischen Kreuzungen auf uns wartet.
Und die Kilometer vergehen. Und vergehen. Und die Stunden vergehen. Stunde um Stunde. Mein neuer Seitenwagenreifen ist etwas zu groß. Und bei tiefen Schlaglöchern schleift er am Kotflügel.
Ich versuche es zu vermeiden. Es wird später.
20:00... Ich versuche es zu vermeiden. Es wird 21:00. Ich versuche es zu vermeiden. Es wird 22:00. Ich achte weniger darauf. Es wird 23:00. Ich konzentrier mich mehr auf die staubige Straße. Es wird Mitternacht. Ich pfeiff drauf.
Nach 14 Stunden am Bike. Ohne Mittagessen. In der Hitze...
Bei den Straßenbedingungen ist man doch etwas erschöpft. Soll aber nicht heissen, daß wir schon da sind...
Stewart ist vorgefahren. Und läßt alle Gates am Weg zu seinem Anwesen offen. Susan springt dann raus. Ich stell den Motor ab, damit er nicht den von uns selbst aufgewirbelten eigenen Staub zieht. (Mein Luftfilter ist schon seit Stunden vollkommen dicht)  Susan schließt dann das Tor. Ich starte dann den Motor. Und weiter geht´s zum nächsten Gate.
Und zum nächsten. Und zum nächsten...
...Aber das Leben ist ja Abwechslung.
Zum Beispiel beim letzten Gate: Susan springt raus. Ich stell den Motor ab, damit er nicht den von uns selbst aufgewirbelten eigenen Staub zieht. Susan schließt das Tor. Ich starte dann den Motor. Und...
...Nichts. Ich presse den Starterknopf. Und...
Nichts...
Yap. Also wir stehen hier. Mitten im absoluten Nirgendwo. Auf einer staubigen Piste. 20cm tiefer Feinstaub. Keine Ahnung wo wir genau hinmüssen. Es ist Ein Uhr Nachts. Und kein Motor.
Es könnte schlimmer sein. Zum Beispiel. Kreuzschmerzen von 14 Stunden Motorrad fahren. Oder eine 1 Millimeter Staubschicht am Visier – obwohl man die Regenlippe des Handschuhs die ganze Zeit wie im Starkregen zum Wischen verwendet. Oder ein leichtes Hungergefühl. Naja. Oder wie auch immer man das Gefühl nennt, wenn man darüber schon hinweg ist.
Also alles nicht so schlimm.
Hmmmm... Eigentlich finde ich das ganze recht lustig.
Nun ja. Nach einer halben Stunde Fehlersuche hat sich herausgestellt, daß die Erschütterungen und der Staub meinen rechten Blinker ausser Gefecht gesetzt hat. Und dieses manchmal auch Einfluß auf meinen Starter hat und die Maschine deswegen nicht anspringt. (Was da der technische Zusammenhang zwischen Blinker und Starter ist, verstehe ich zwar nicht. Aber man muß ja nicht alles wissen)
Tja. Nur weitergeholfen hatte mir die Erkenntnis auch nicht wirklich. Motor sprang trotz Reparatur des Blinkers nicht an.
Susan ist dann aufgefallen, daß es bei der Betätigung des Starterknopfes einen Funken im Schalter an der Armatur gibt.
Ach. Technische Details.
Steward taucht auf. Und wir rollen meinen Motor an. Mein Gespann an Stewards 4x4 angehängt. Dritter Gang.  Eingekuppelt. Und Motor läuft wieder.
Nach weiteren 5km endlich in Stewards Farm angekommen. 02:30.
...und totmüde ins Bett gefallen.
UFF...

Heute gab´s dann in der Früh ein kurzes Plauscherl mit Steward. 4h oder so. Und er erzählt über sein Leben. Seinen Glauben. Die Bibel. Und wie er versucht seinen Bruder zu überzeugen. Und dann über seinen Bruder. Wie dieser Fischer in Florida war. Sein Fischerboot umgebaut hat. Und optimiert hat. Sich für Alternativenergien interessiert. Senatoren anschreibt um für seine Ideen zu werben. Und dann einen Generator für Gezeitenkraftwerke entwickelte. Eine Firma gründet.
Und wie Stewart dann in der Kirche 250.000 USD sammelt um seinen Bruder den Start-Up zu ermöglichen. Wie dieser Generator patentiert wird. Und auch als Antrieb für Schiffe verwendet werden kann. Wie dann die US Army diese Erfindung für geräuschlose Nuklear-U-Boote kauft. Und sein Bruder dann ein Vermögen macht. (Falls Du „Jagd auf roter Oktober“ gesehen hast: von ihm ist der Antrieb...)
Tja. Und alles was Steward will – ein Kinderhilfswerk in Bolivien aufbauen. Und deswegen vor 6 Jahren hierher gekommen ist. Und  vor einem Jahr begonnen hat seine Farm zu bauen. Alles in den Staaten verkauft hat. Vollkommen hierher gezogen ist. Und vollkommen neu startet.
Steward ist Einundsiebzig Jahre alt.

Und so sitz ich hier. Mitten im Dschungel. Plausche über Gott. Gestrandet mit einem Bike, das nicht anspringt. Umgeben von mehr Tieren als der Tiergarten in Schönbrunn hat. Gestern noch enttäuscht, daß ich nichts erlebe. Heute eines besseren belehrt.

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