Samstag, 10. September 2011

Staub ist für Weicheier. Echte Männer haben Schlamm.

Hmmmm... Und auch Batterie wird überbewertet. Anscheinend.
Ich hatte Apolinar, meinen Mechaniker in Sucre ein paar Mal gefragt, ob mein 18A Gleichrichter für mein Gespann ausreicht. Und er hat mir jedes Mal stolz berichtet, daß er es nachgemessen hat: Mit Fernlicht und Griffheizung ziehe ich genau eben 18A. Also geht sich genau aus Alles.
Theoretisch. Also.
Praktisch: Nachdem ich den gestrigen Tag mit diversen Tests verbracht habe, hat MrC heute in der Früh beschlossen nicht mehr anzuspringen. Anscheinend war die Batterie schon durch die Fernlicht Fahrt zu Steward vorentladen. Oder MrC wollte mir den Abschied von Steward einfach schwerer machen...
Wie auch immer.
Steward hat mich dann mit seinem Pickup angeschoben. Was aber bedeutet, daß man für die nächste halbe Stunde – oder besser 1h um sicher zu sein – die Batterie lädt und den Motor nicht mehr abstellt. Oder abwürgt.
Hmmmmm.... Dieses in Kombination, daß ich mir nicht sicher bin, ob mein Workaround für meine Starter Probleme auch wirklich zuverlässig funktioniert, war schon etwas ungemütlich. Der Gedanke allerdings 7 Fahrstunden von der Zivilisation dann mitten in der Pampa gestrandet zu sein – und bestenfalls irgendwelche Ochsenkarren zur Hilfe holen zu können - war schon etwas... Naja. Ähem. Ungemütlich halt.
Aber ist ja alles nicht so schlimm. Es könnte ja zum Beispiel der ganze Weg zugeschlammt sein. Sodaß man wild hin und herschlingernd versucht, alles mögliche zu tun nur um ja nicht stehen zu bleiben. [Kleine Anmerkung am Rande für die werten Motorradfahrer unter meinen Bloglesern: Es ist möglich im rechten Winkel zum Fahrzeug ein Gespann durch Schlamm zu pflügen.]
Oder es könnte auch noch schlimmer kommen. Wie zum Beispiel, daß ein BMW 100GS Motor Luftgekühlt ist. Sprich er benötigt einen Fahrtwind, der von den beiden Zylinder die Abwärme abführt. Wenn man aber längere Strecken nur im ersten Gang ziemlich hochtourig fährt um nicht stecken zu bleiben, reicht der Fahrtwind nicht mehr aus um den Motor effizient zu kühlen.
Ist ja alles nicht so schlimm. Einach Motor abstellen. Warten bis der Motor abgekühlt ist und dann einfach weiterfahren.
...Ähem. „Houston – wir haben ein Problem!“
Nun gut. Also hatte ich dann halt einen BMW 100GS Motor mit Wasserkühlung. Wasser aus den Pfützen am Strassenrand.
Oder es könnte noch schlimmer kommen. Wie zum Beispiel. Daß der Hinterreifen Luft verliert. Mitten im Nirgendwo.
Wir könnten jetzt einen kleinen Ausflug in die Technik machen. Und genauer erläutern wie lange die Halbwertszeit der Haltbarkeit eines mit Bord-Reparatursets reparierten Schlauchlosreifen ist. Genau der Reifen, den ich gerade 130km und 3 Tage davor repariert habe. Aber ich erspare uns das.
Oder ich könnte erläutern, daß es wichtig ist, das Fahrzeug mit Steinen gegen Wegrollen zu sichern.
...und daß es aber im Wetland aber lange sucht, weil es nämlich dort keine Steine gibt. Sondern nur Erde und Gräser.
Oder ich könnte erläutern, daß wenn man das nämlich nicht tut, das Fahrzeug vom Wagenheber abrutscht und dadurch die Gewindestange des Wagenhebers  verbogen wird. Genau desjenigen Wagenhebers, den man noch benötigt um den Reifen zu flicken.
Oder ich könnte genauer erläutern, daß das ganze natürlich in der Mittagshitze um 13:00 passiert. Weit weg von irgendwelch schattenspendenden Bäumen.
Aber ich will ja niemanden mit technischen Details langweilen.

Viel spannender finde ich zu erzählen, wie ich auf eine kleine ca. 3m breite Lehm-Brücke fahre und plötzlich 3m vor mir bei 40km/h ein 1m breites und 1m tiefes Loch genau in der Mitte vorfinde – ein Loch, daß von unten vor der Brücke nicht zu sehen war.
Yap. Das Leben kann spannend sein.

Auf jeden Fall sind wir dann am späten Nachmittag in San Moxo de Ignacio eingeritten. Vollkommen mit einer Schlammschicht überzogen. Sowohl MrC. Als auch ich.
Beide haben sich also eine Dusche verdient.
Bei ersterem ist das sehr praktisch. Man fährt in die Waschstraße. Legt 25 Bolivianos auf den Tisch. Wartet eine Viertel Stunde. Und fährt dann mit einem sauberen Fahrzeug weiter.
Theoretisch.
Praktisch: Es gibt in der Stadt seit Tagen kein Wasser.
Also noch eine halbe Stunde lang versucht mit einem Ast die mittlerweile feste Lehmschicht von MrC herunter zu hämmern.
Nun gut: Die gute Nachricht des heutigen Tages – mein Hotel hat wenigstens eine eigene Zisterne und dadurch konnte ich von den Reserven noch eine sehr feine Dusche nehmen.
Ach. Übrigens – habe ich erwähnt, daß das Leben durchaus spannend sein kann? Zum Beispiel 240V spannend? Welche durch meine Hand geschossen kamen, wie ich versucht habe die Temperatur des elektrischen Duschkopfes zu verstellen?...
Heute habe ich übrigens länger gebraucht um meinen Blogeintrag zu schreiben – meine linke Hand ist noch immer etwas taub...

Noch ein paar Statistiken des heutigen Tages:
Ca.150  Maximal Temperatur des Motors heute
140         Ende der Skala meines Thermometers
120         Temperatur wo der rote Bereich des Motors beginnt
140         gefühlte Liter Wasser aus Straßengräben, die wir über den Motor zur Kühlung gekippt haben
44           Kilometer Luftlinie zurückgelegt
131         Kilometer Straße zurückgelegt
7             Anzahl der Stunden am Bike
10           Minuten Pause während dieser Fahrt
2333      geschätzte Anzahl der Durchschläge bei denen der Seitenwagenreifen meinen Kotflügel berührte
30           Tiefe in Zentimeter der 20cm breiten, äußerst unscheinbaren kleinen Pfützen durch die ich regelmäßig durchgefahren bin
5             Millimeter an Schlamm auf meiner Kleidung
350         % Stresslevel über Normal in manchen Situationen

1 Kommentar:

  1. Eh Du. Danke für diesen Tag und die absolut amüsante Schreibweise. Jeder Motorrad Fahrer der schonmal durch Schlamm gefahren ist kann nachempfinden wie es Dir ergangen sein muss. Mitfühlende Grüße vom Carsten

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